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Urteil des Bundesgerichtshofes zur Strafbarkeit unwahrer Leistungsversprechen

Leitsatz des Gerichts

Das Versprechen einer Leistung, die der Täter nicht erbringen will, begründet allein noch nicht den Anschein eines besonders günstigen Angebots i. S. d. § 4 UWG.

Urteil vom 26. Oktober 1977 – 2 StR 432/77

BGHSt 27 (77) Seite 293-295 (Seite294, Seite295)

Aus den Gründen:

Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener strafbarer Werbung geSeite 294mäß § 4 UWG. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte in diesen drei Fällen Formularwerbeaktionen durchgeführt, mit denen er die entgeltliche Aufnahme in von ihm herauszugebende Telex- und Branchenverzeichnisse anbot. So versandte er in der ersten Aktion 55000 Werbeformulare an Empfänger, deren Anschriften er zuvor von einem Adressenverlag erworben hatte. Die Irreführung der Kunden lag jeweils in der dem Vertragsangebot innewohnenden Vorspiegelung, aktuelle Telex- und Branchenverzeichnisse in üblicher Auflage herauszubringen und vertreiben zu wollen und zu können.

Dieses Vorgehen erfüllt nicht den Tatbestand strafbarer Werbung, weil der Angeklagte mit ihm nicht den Anschein eines besonders günstigen Angebots i. S. d. § 4 UWG hervorrufen wollte.

Zwar ist in der Regel für die Beurteilung, ob ein derartiger Anschein beabsichtigt ist, ein Vergleich zwischen dem Angebot des Täters und etwaigen Angeboten seiner Konkurrenten nicht von wesentlicher Bedeutung. Denn § 4 UWG dient nicht allein dem Schutz der Mitbewerber vor unlauterer Reklame, sondern weiterhin dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung eines leistungsfähigen Wettbewerbs und dem Verbraucherschutz. Dementsprechend hat es die Rechtsprechung bereits des Reichsgerichts für maßgebend erachtet, ob die Eigenschaften des angebotenen Produkts selbst besonders in Erscheinung treten sollen, so daß sie einen Anreiz zum Erwerb bilden (RGSt 40, 122, 128; 47, 280; 48, 40, 42); der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung fortgeführt (BGHSt 4, 44 – Blindenware; ebenso BayObLG GRUR 1959, 427; unklar KG JR 1973, 428 m. Anm. Tiedemann).

Indessen ist der Begriff des besonders günstigen Angebots auch im Rahmen einer vom Schutzzweck des Gesetzes abgeleiteten Auslegung vom Wortlaut her zu verstehen. Dieser verlangt, daß der Täter in der Absicht handelt, irgendeinen Vorzug seines Produkts herauszustellen. Ein Handeln ohne derartige innere Einstellung hat nicht den Zweck, die angebotene Ware oder Leistung als wegen ihrer besonderen Eigenschaften günstig zum Erwerb einladend anzupreisen. Daher kann es zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 UWG nicht genügen, Seite 295 wenn sich der Täter zu branchenüblichen, aus der Sicht des Kunden „normalen” Dienstleistungen erbietet, die er nicht oder nur teilweise erbringen will, und Inhalt und Aufmachung des Werbemittels auch sonst nicht auf bestimmte Vorzüge der angebotenen Leistung hinweisen. Diesen Rahmen aber hat der Angeklagte nicht überschritten. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß er die versprochenen Leistungen in Wahrheit nicht oder allenfalls in einem Umfang erbringen wollte, der der Nichtleistung wirtschaftlich gleichsteht.

Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts kann sich allerdings auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts stützen. Nach ihr liegt ein besonders günstiges Angebot immer schon dann vor, wenn die angebotene Leistung bei weitem nicht dem entspricht, was der Anbieter von ihr und ihrer Beschaffenheit behauptet (RGSt 40, 122, 128; 48, 40, 42). Jedoch geht diese Formulierung für Fälle der vorliegenden Art zu weit. Denn der Angeklagte täuschte in seinen Werbeformularen allein über seine Bereitschaft und Fähigkeit zur vertraglichen Leistung. Die Erklärung, vertragstreu sein zu wollen, haftet einem Vertragsangebot aber notwendig an; sie kann ihm nicht den Anschein vermitteln, „besonders günstig” zu sein. Das Versprechen einer Leistung, die der Täter nicht erbringen will, vermag daher für sich allein die Voraussetzungen strafbarer Werbung nach § 4 UWG noch nicht zu begründen. Eine Strafbarkeitslücke ergibt sich aus dieser vom Wortlaut des Gesetzes bestimmten Auslegung nicht, da die Vorschriften über den Betrug einen ausreichenden Strafrechtsschutz gegenüber Täuschungshandlungen dieser Art gewährleisten.