ladisch.de > Deutsches Recht > Giropostenpreis
a) In Allgemeinen Geschäftsbedingungen für private Girokonten enthaltene Postenpreisklauseln, die auch Ein- und Auszahlungen am Kassenschalter erfassen, unterliegen als Preisnebenabreden der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGBG (im Anschluß an BGHZ 124, 254).
b) Solche Postenpreisklauseln enthalten keinen Verstoß gegen § 9 AGBG, wenn den Kunden zugleich mindestens fünf Freiposten im Monat gewährt werden.
c) Postenpreisklauseln für die Inanspruchnahme von Geldausgabeautomaten unterliegen nicht der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGBG, weil sie das Entgelt für eine Sonderleistung des Kreditinstituts regeln.
BGHZ 133, 10-17 (11, 12, 13, 14, 15, 16, 17)
I. Landgericht Halle
II. Oberlandesgericht Naumburg
Der klagende Verbraucherschutzverein hat nach seiner Satzung die Aufgabe, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen.
Die beklagte Sparkasse verwendet Allgemeine Geschäftsbedingungen, die durch einen Preisaushang ergänzt werden. Danach berechnet sie bei »Privatkonten« für die Kontoführung einen Grundpreis von 3 DM monatlich sowie sogenannte Postenpreise. Die Postenpreise betragen 0,25 DM für Daueraufträge, Barverfügungen am Geldautomaten und Einzugsermächtigungen sowie 0,40 DM für alle anderen Vorgänge (»alle oben nicht genannten Geschäftsvorfälle«), wobei jedoch monatlich fünf sogenannte Freiposten im Wert von je 0,40 DM unentgeltlich sind.
Der Kläger wendet sich mit der Unterlassungsklage aus § 13 AGBG gegen diese Preisregelung, soweit darin Postenpreise von 0,25 DM für Barverfügungen am Geldautomaten und von 0,40 DM für »alle oben nicht genannten Geschäftsvorfälle« vorgesehen sind. Er ist der Ansicht, die genannten Klauseln verstießen insoweit gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, als sie eine Vergütungspflicht für Bareinzahlungen und Barauszahlungen begründen.
Die Vorinstanzen haben der Beklagten die Verwendung der Klausel »alle oben nicht genannten Geschäftsvorfälle 0,40 DM« untersagt und die Klage im übrigen abgewiesen (das Berufungsurteil ist abgedruckt in WM 1995, 1578).
Von den - zugelassenen - Revisionen blieb die des Klägers erfolglos und führte die der Beklagten zur völligen Abweisung der Klage.
Das Berufungsgericht hält die Regelung im Preisaushang der Beklagten, wonach für alle von der vorausgehenden Aufzählung nicht erfaßten Geschäftsvorfälle 0,40 DM berechnet werden, für unzulässig und die Bestimmung über die Berechnung von 0,25 DM für Barverfügungen am Geldautomaten für zulässig. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
Die Preisfestsetzung von 0,40 DM für alle von der vorausgehenden Aufzählung nicht erfaßten Geschäftsvorfälle sei nicht nach § 8 AGBG der gerichtlichen Kontrolle entzogen, weil es sich bei ihr um eine Preisnebenabrede im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung handle, die zwar Auswirkungen auf Preis und Leistung habe, an deren Stelle aber im Falle ihrer Unwirksamkeit dispositives Recht treten könne. Diese Klausel halte der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand, weil sie auch den Barzahlungsverkehr erfasse und insoweit eine von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichende unangemessene Benachteiligung der Inhaber privater Girokonten enthalte. Das gelte zum einen für Bareinzahlungen auf debitorisch geführte Girokonten, weil das Bürgerliche Gesetzbuch als selbstverständlich davon ausgehe, daß jede Geldschuld durch Barzahlung erfüllt werden und der Gläubiger für die Entgegennahme von Bargeld keine gesonderte Vergütung verlangen könne. Bei einem passiven Girokonto seien die Tätigkeiten der Bank insgesamt durch die Berechnung von Zinsen auf die jeweilige Darlehensvaluta abgegolten, so daß eine wie auch immer bezeichnete Kostenbeteiligung des Kunden zu einer verdeckten Verteuerung der Kredite durch die Abwälzung von anteiligen allgemeinen Betriebskosten und Verwaltungsaufwendungen führen würde. Bei Barauszahlungen im Falle eines kreditorischen Girokontos liege die unangemessene Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung darin, daß von dem Kunden eine Vergütung für die Rückzahlung seines eigenen, in der Regel unverzinslichen Sichteinlagenkapitals verlangt werde. Die Gewährung von fünf Freiposten von jeweils 0,40 DM durch die Beklagte beseitige die unangemessene Benachteiligung des Kunden nicht, weil sie die finanzielle Belastung allenfalls mindere.
Die Bestimmung über einen Postenpreis von 0,25 DM für Barverfügungen am Geldautomaten verstoße nicht gegen § 9 AGBG, weil dem Kunden mit der Aufstellung kostspieliger Automaten eine Sonderleistung des Kreditinstituts in Gestalt einer zusätzlichen Verfügungsmöglichkeit außerhalb der üblichen Geschäftszeiten angeboten werden.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zutreffen ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Klausel über die Berechnung einer Buchungsgebühr von 0,40 DM für alle nicht besonders erwähnten Geschäftsvorfälle der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG unterliegt.
Der erkennende Senat ist in seinem Urteil vom 30. November 1993 (BGHZ 124, 254, 256 ff.) davon ausgegangen, daß in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für private Girokonten enthaltene Gebührenklauseln für Ein- und Auszahlungen am Bankschalter als Preisnebenabreden der richterlichen Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG unterliegen, weil die Ein- und Auszahlungen nach den Kategorien des Bürgerlichen Gesetzbuchs entweder einem Darlehen (§§ 607 ff. BGB) oder einer unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 BGB) zuzuordnen sind und weil sich aus der gesetzlichen Regelung beider Vertragstypen Grundsätze für die Frage der Entgeltlichkeit von Ein- und Auszahlungen entnehmen lassen. Daran ist entgegen einigen kritischen Stimmen im Schrifttum (Fischer WuB IV B. § 8 AGBG 1.94; Graf von Westphalen WM 1995, 1209, 1217; wie hier dagegen Hensen EWiR § 8 AGBG 1/94, 105, 106; Drygala DZWir 1994, 383 f.) festzuhalten.
Für den vorliegenden Fall kann im Ergebnis nichts anderes gelten (a. M. Canaris WM 1996, 237, 239 ff.; Engau WuB IV C. § 8 AGBG 1.95). Im Unterschied zu dem Fall, der dem genannten Senatsurteil zugrunde lag, werden hier allerdings nicht besondere Entgelte für die Inanspruchnahme der Kasse berechnet, sondern unter der Überschrift »Kontoführung« sogenannte Postenpreise in Rechnung gestellt. Dabei geht es jedoch der Sache nach um Entgelte nicht allein für die Buchführung bzw. einzelne Buchungsposten als solche, sondern auch und vor allem für die Tätigkeit der Beklagten, die sich in den verschiedenen Buchungsvorgängen widerspiegelt (das räumt auch Canaris aaO S. 241 ein). Der Umstand, daß die Beklagte je nach den den einzelnen Buchungsposten zugrunde liegenden Geschäftsvorgängen unterschiedliche Postenpreise berechnet, bestätigt dies. Daraus folgt, daß Postenpreise, soweit sie im Zusammenhang mit Ein- und Auszahlungen anfallen, zumindest auch ein Entgelt dür diese Kassentätigkeiten darstellen. Dabei zeigt die Zuordnung der Ein- und Auszahlungen - mit Ausnahme der Auszahlungen am Geldautomaten - zu der höheren Preisgruppe, daß die Beklagte sich ihre Kassentätigkeit am Bankschalter höher bezahlen lassen will als verschiedene andere Tätigkeiten. Enthalten die Postenpreise der Beklagten aber, soweit sie Ein- und Auszahlungen betreffen, ein Entgelt für diese Zahlungsvorgänge, so sind sie insoweit ebenso wie die Preisklauseln im Fall des oben genannten Senatsurteils am Maßstab des § 9 AGBG zu überprüfen.
2. Der Ansicht des Berufungsgerichts, der Postenpreis von 0,40 DM für »alle oben nicht genannten Geschäftsvorfälle« enthalte, soweit er Ein- und Auszahlungen betreffe, eine von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichende unangemessene Benachteiligung der Inhaber privater Girokonten, vermag der Senat dagegen nicht zu folgen.
a) Bei den im Preisaushang der Beklagten ungenau als »Privatkonten« bezeichneten Konten handelt es sich um private Girokonten. Das Giroverhältnis zwischen einem Kreditinstitut und einem Kunden ist ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist. Es begründet für die Beteiligten ein Bündel von Rechten und Pflichten, zu denen auch die Pflicht des Kreditinstitutes gehört, für den Kunden ein Girokonto zu führen, in das dessen Forderungen und Verbindlichkeiten eingestellt und regelmäßig saldiert werden (Senatsurteil vom 10. Oktober 1995 - XI ZR 263/94 = BGHZ 131, 60). Das Kreditinstitut ist berechtigt, für seine Tätigkeit im Rahmen des Giroverhältnisses Vergütungen zu verlangen und diese in Allgemeinen Geschäftsbedingungen festzulegen. Bei der Bemessung der Vergütungen kann es grundsätzlich auch an die Kontoführung und deren von Fall zu Fall unterschiedlichen Umfang anknüpfen (Graf von Westphalen aaO S. 1218; Canaris aaO S. 243).
b) Das Giroverhältnis zwischen einem Kreditinstitut und seinem Kunden steht jedoch in engem Zusammenhang mit anderen Rechtsbeziehungen der Beteiligten, die durch verschiedene über das Girokonto abzuwickelnde Geschäftsvorgänge entstehen können. So stellen ein Haben-Saldo des Kunden eine Forderung aus unregelmäßiger Verwahrung nach § 700 BGB und ein Soll-Saldo eine Darlehensverbindlichkeit im Sinne des § 607 BGB dar. Ein- und Auszahlungen auf das Girokonto sind daher in aller Regel auch Akte zur Begründung oder Erfüllung der genannten Schuldverhältnisse oder einzelner Pflichten aus ihnen (vgl. dazu im einzelnen Senatsurteil vom 30. November 1993 aaO S. 257).
c) Daraus folgt, daß eine Entgeltregelung für Girokonten, die an die einzelnen Geschäftsvorgänge anknüpft, im Rahmen des § 9 AGBG daraufhin überprüft werden muß, ob sie eine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen enthält, die für die verschiedenen Geschäftsvorgänge gelten, und ob eine solche Abweichung den Kunden entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Der erkennende Senat hat daher Preisklauseln für Privatgirokonten, die gezielt ein besonderes, für andere Geschäftsvorgänge nicht vorgesehenes Entgelt für Ein- und Auszahlungen festlegten, nach § 9 AGBG wegen einer die Kunden unangemessen benachteiligenden Abweichung von den Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen des Darlehens und der unregelmäßigen Verwahrung als unwirksam und unzulässig angesehen (Senatsurteil vom 30. November 1993 aaO). Im vorliegenden Fall geht es dagegen um Preisklauseln, die allgemein »Postenpreise« für die »Kontoführung« festlegen und dabei Ein- und Auszahlungen - mit Ausnahme der ausdrücklich der niedrigeren Preisgruppe zugeordneten Barverfügungen am Geldutomaten - nicht einmal gesondert erwähnen. Gleichwohl stellen die Postenpreise, wie oben dargelegt, soweit sie im Zusammenhang mit Ein- und Auszahlungen anfallen, zumindest auch ein Entgelt für diese Kassentätigkeiten dar.
Da Ein- und Auszahlungen auf ein Girokonto als Akte zur Begründung oder Erfüllung von Darlehens- oder Verwahrungsverhältnissen zu werten sind und die gesetzlichen Regelungen des Darlehens sowie der unregelmäßigen Verwahrung für solche Akte kein Entgelt vorsehen (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1993 aaO S. 257), liegt in der Regelung der Beklagten über Postenpreise insoweit eine Abweichung von gesetzlichen Vorschriften. Damit steht jedoch noch nicht fest, daß diese Preisklausel gegen § 9 AGBG verstößt. Nicht jede Abweichung einer AGB-Klausel von dispositivem Recht begründet nämlich einen Verstoß gegen § 9 AGBG. Es muß sich vielmehr um eine Abweichung handeln, die mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) und die außerdem den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 AGBG), wobei letzteres auch im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 AGBG nicht in jedem Falle, sondern lediglich »im Zweifel« anzunehmen ist.
d) Bei der danach erforderlichen Abwägung kommt der im Preisaushang der Beklagten enthaltenen Freiposten-Regelung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts entscheidende Bedeutung zu. Da die Beklagte durch gesetzliche Vorschriften nicht gehindert ist, für andere Geschäftsvorfälle als Ein- und Auszahlungen besondere Vergütungen zu verlangen, können die unentgeltlichen Freiposten bei wertender Betrachtung in erster Linie den im Laufe eines Monats etwa anfallenden Ein- und Auszahlungen zugerechnet werden. Durch fünf solche Freiposten im Monat weden Ein- und Auszahlungen am Kassenschalter in einem Umfang vergütungsfrei gestellt, den der erkennende Senat für erforderlich, aber auch für ausreichend hält, um der Vergütungsregelung den Makel der unangemessenen Kundenbenachteiligung zu nehmen.
Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, daß nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten deren Privatgiro-Kunden durchschnittlich im Monat nur 0,8 Abhebungen und 0,08 Einzahlungen am Kassenschalter vornehmen. Diese Durchschnittszahlen können allerdings für sich allein nicht maßgeblich sein. Der Bereich dessen, was bei verständiger Würdigung noch als normale Inanspruchnahme von Ein- und Auszahlungen im Rahmen eines Privatgirokontos angesehen werden kann, darf keine besonderen Vergütungspflichten auslösen. Dieser Bereich umfaßt auch eine Inanspruchnahme von Auszahlungen zur Ergänzung des eigenen Bargeldbestands in ungefähr wöchentlichem Abstand. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der gelegentlich - aber sicher sehr viel seltener - auftretenden Notwendigkeit, auch einmal eine Bareinzahlung zu tätigen, daß der Bereich einer normalen Inanspruchnahme eines privaten Girokontos für Bartransaktionen bis zu fünf Ein- und Auszahlungen im Monat umfaßt.
Soweit ein privates Girokonto darüber hinaus für Ein- und Auszahlungen an der Kasse in Anspruch genommen wird, stellt die Abweichung von dispositivem Gesetzesrecht, die in der Berechnung von Postenpreisen für solche Vorgänge liegt, keine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Kontoinhaber im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG dar. Wer die Kassendienste der Beklagten in außergewöhnlichem Ausmaß in Anspruch nimmt, wird nicht unangemessen behandelt, wenn er in maßvollem Umfang zu einem Entgelt für den damit verbundenen Aufwand der Beklagten herangezogen wird.
3. Im Ergebnis mit Recht hat das Berufungsgericht die Preisklausel der Beklagten, die Postenpreise von 0,25 DM für Barverfügungen am Geldautomaten vorsieht, als zulässig angesehen. Dabei kommt es allerdings auf die vom Berufungsgericht vorgenommene Prüfung des § 9 AGBG nicht an. Da in der Zurverfügungstellung von Geldautomaten, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, eine Sonderleistung der Beklagten liegt und für die Frage der Entgeltlichkeit solcher Sonderleistungen keine gesetzlichen Vorschriften bestehen, kommt nach § 8 AGBG eine Überprüfung der genannten Postenpreise am Maßstab der §§ 9 bis 11 AGBG von vorneherein nicht in Betracht.