ladisch.de > Deutsches Recht > Unwirtschaftliche Heizkostenerfassung - LG Frankfurt 2/3 T 640/88

Beschluss des Landgerichts Frankfurt zur Wirtschaftlichkeit der Heizkostenerfassung (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 a Heizkostenverordnung)

Beschluss vom 26. Juni 1991 - 2/3 T 640/88

NJW-RR 1992, 524
»Die Heizkostenabrechnung« 1992, 26 mit Anmerkungen (Lefèvre, Arbeitsgemeinschaft Heizkostenverteilung e. V.)

Sachverhalt

Das Mitglied einer Wohnungseigentümergesellschaft (Antragsteller) erstrebte die Änderung der bestehenden Gemeinschaftordnung dahingehend, daß Heizkostenverteiler und Warmwasserzähler in allen Wohnungen installiert werden sollten und auf dieser Grundlage die Abrechnung von Heizkosten und Warmwasser zu 70 % verbrauchsbezogen erfolgen sollte. Das Amtsgericht hat die Antragsgegner (= die übrigen Wohnungseigentümer) verpflichtet, einer solchen Änderung der Gemeinschaftsordnung zuzustimmen. Das AG hat jedoch die Grenze für den verbrauchsbezogenen Anteil auf 50 % bestimmt. Die Eigentümergemeinschaft hat daraufhin den Einbau von Heizkostenverteilern beschlossen. Die Beschwerde einer Beteiligten gegen den weitergehenden Beschluß des AG hatte Erfolg.

Aus den Gründen

...

Die Gemeinschaft ist nicht verpflichtet, in allen Wohnungen Warmwasserzähler zu installieren und die Warmwasserabrechnung zumindestens 50 % verbrauchsbezogen vorzunehmen. Gemäß §§ 4-7 HeizkostenVO, die nach § 3 HeizkostenVO auch auf Wohnungseigentum anzuwenden ist, unabhängig davon, ob durch Vereinbarung oder Beschluß der Wohnungseigentümer abweichende Bestimmungen über die Verteilung der Kosten der Versorgung mit Wärme und Warmwasser getroffen worden sind, ist die Gemeinschaft grundsätzlich zwar zur Anbringung von Warmwasserzählern und zu einer Abrechnung der Warmwasserkosten verpflichtet, die zu mindestens 50 % verbrauchsbezogen ist. Dies gilt jedoch vorliegend nicht, weil das Anbringen der Ausstattung zur Verbrauchserfassung nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich ist, § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a HeizkostenVO.

Der Zweck der Heizkostenverordnung ist es, durch Drosselung des individuellen Verbrauchs zur Energieeinsparung beizutragen. Die Verbrauchsdrosselung wiederum soll nach marktwirtschaftlichen Prinzipien über die Kosten erzielt werden; hohe Kosten sollen den ökonomisch denkenden Nutzer veranlassen, seinen Energieverbrauch einzuschränken. Das setzt aber voraus, daß im wesentlichen die Kosten nur durch den Energieverbrauch beeinflußt werden. Kommen andere Kostenfaktoren hinzu, die im Verhältnis zu den Energiekosten zu hoch sind, kann die Heizkostenverordnung ihr Ziel unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht erreichen.

Bereits die Rechtsgrundlage der Heizkostenverordnung, das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), enthält in § 5 den Vorbehalt, daß die Anforderungen der nach dem EnEG erlassenen Rechtsverordnungen wirtschaftlich vertretbar sein müssen, § 5 Abs. 1 Satz 1 EnEG. In § 5 Abs. 1 Satz 2 EnEG ist ferner eine Legaldefinition für die wirtschaftliche Vertretbarkeit enthalten. Sie stellt darauf ab, daß generell die für die Durchführung der verbrauchsabhängigen Kostenverteilung nach der Heizkostenverordnung erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer der Gebäude durch die eintretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können. Werden die Aufwendungen in bereits bestehenden Gebäuden gemacht, ist auf die noch zu erwartende Nutzungsdauer abzustellen. In Erfüllung dieses Gebotes der Wirtschaftlichkeit enthält § 11 eine Reihe von Ausnahmeregelungen von der Geltung der Heizkostenverordnung (Lammel, HeizkostenVO, 1990, § 11 Rdnrn. 1 bis 3). Eine dieser Ausnahmeregelungen ist diejenige des § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a HeizkostenVO, die im vorliegenden Fall eingreift.

Im Einzelfall mag es zwar technisch möglich sein, Erfassungsgeräte für Heizung und Warmwasser anzubringen, selbst wenn wie nach einer der im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten die Leitungsführung für das Warmwasser geändert wird. Trotz der technisch realisierbaren Anwendung der Heizkostenverordnung kann sich jedoch im Einzelfall erweisen, daß die durch die Anpassung an die Erfordernisse der Heizkostenverordnung entstehenden Kosten unverhältnismäßig hoch sind.

Welche Kosten hier zueinander ins Verhältnis gesetzt werden sollen, ist vom Verordnungsgeber der Beurteilung des Einzelfalles überlassen worden (BR-Dr 632/80, S. 33) und dementsprechend streitig. So soll es für die Frage, ob die Kosten unverhältnismäßig hoch sind, nicht auf die Relation zwischen dem Aufwand für die Anbringung der Erfassungsgeräte und zu den zu ersparenden Energiekosten ankommen, da es dem Gebäudeeigentümer im volkswirtschaftlichen und umweltpolitischen Interesse zugemutet würde, die Anbringungskosten zu tragen. Bezugsgröße sei daher der durch die Verbrauchserfassung entstehende Normalaufwand, daß heißt in Beziehung zu setzen seien die Kosten der geplanten Maßnahme mit denen der preisgünstigsten Maßnahme (Anbringung von Wärmemengenzählern zu Verdunstungsgeräten) (so OLG Düsseldorf, WEZ 1988, 458 und DWE 1989, 29; ähnlich Gramlich, MietR, 3. Aufl. [1989], § 11 HeizkostenVO Anm. 2). Diese Verhältnisrechnung ist unzutreffend; sie läßt eine Berechnung bei nachträglicher Anbringung von Warmwasserzählern nicht zu, da technisch derzeit kein vergleichbares Erfassungsgerät auf dem Markt ist. Eine Vergleichsrechnung ist ferner ausgeschlossen, wenn bereits die Anbringung der billigsten Geräte geplant ist. Schließlich übersieht diese Auffassung, daß in § 5 Abs. 1 EnEG eine Definition für die wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Aufwandes enthalten ist. Die Überwiegende Meinung stellt daher auch auf das Verhältnis der Installationskosten zu der dadurch zu bewirkenden Energieeinsparung ab (Brintzinger, in: Fischer/Dieskau-Pergande, WohnungsbauR, Ergänzungslieferung 1985, § 11 Anm. 2, S. 5; Schulz, Anwendungsprobleme der HeizkostenVO, 1987, S. 10, Lefèvre, Die Heizkostenabrechnung, 1986, S. 34; BayObLG, GE 1989, 781).

Weiterhin streitig ist, wie die Einsparung zu berechnen ist und auf welchen Zeitraum. Die Heizkostenverordnung geht selbst davon aus, daß durch die verbrauchsabhängige Kostenverteilung eine Einsparung in Höhe von 15 % erzielt werden kann. Auf dieser Überlegung beruht das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 HeizkostenVO. Deshalb ist auch im Rahmen des § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a HeizkostenVO von dieser Einsparungsquote auszugehen (Schulz, S. 10, Pfeifer, Die neue Heizkostenverordnung, § 11 Anm. 2a). Empirische Erfahrungen, die höhere Einsparungen um 20 % ermittelt haben (Brintzinger, in: Fischer/Dieskau-Pergande, Einl., Anm. 2, S. 6), haben keinen Eingang in die Festlegungen der Heizkostenverordnung gefunden und sind daher nicht zu verwerten, ebensowenig, wie die zu dem Begriff der nachhaltigen Einsparung von Energie nach § 11 Abs. 4 der II. BerechnungsVO vertretenen Auslegungen (LG Berlin, GE 1986, 33, VG Berlin, GE 1986, 347). Die Einsparungsquote ist auch unabhängig von der technischen Ausgestaltung der Heizung und der wärmedämmtechnischen Bauweise anzusetzen (a.A. Schulz, S. 11). Denn auch bei gut wärmegedämmten Gebäuden ergibt sich eine Energieeinsparung von 15 %, allerdings berechnet auf einem niedrigeren Verbrauchsniveau (Bundesminister für Wirtschaft: Wirtschaftliche und technische Möglichkeiten der Energieeinsparung durch Einführung einer umfassenden verbrauchsorientierten Heizkostenabrechnung. Forschungsbereich des Lehrstuhls für Unternehmensforschung an der TH Aachen, S. 3, 94). Schließlich darf es auch keine Rolle spielen, ob die Investitionskosten ganz oder teilweise auf die Nutzer umgelegt werden können; denn die Gegenüberstellung der Kosten hat unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen und nicht danach, wer sie im Endergebnis zu tragen hat (AG Köln, WuM 1988, 25).

Die Amortisationsdauaer ist nicht auf drei Jahre zu begrenzen; das heißt die Aufwendungen brauchen nicht durch die prognostizierten Energieeinsparungen während der auf den geplanten Einbau folgenden Jahre erwirtschaftet zu werden (a.A. Freywald, Heizkosten-Abrechnung leicht gemacht, 3. Aufl. (1990), Rdnr. 22, Lefèvre. Die Heizkostenabrechnung, 1986, S. 34). Dieser kurze Zeitraum hat zwar den Vorteil, daß die Energiekosten angesichts der Preisschwankungen realistisch berechnet werden können. Er entspricht aber ebensowenig dem § 5 Abs. 1 EnEG wie ein angenommener Verteilungszeitraum von 10 Jahren (so AG Münster, WuM 1989, 193). Denn die in § 5 Abs. 1 Satz 2 EnEG enthaltene Legaldefinition der wirtschaftlichen Vertretbarkeit stellt ausdrücklich auf die Nutzungsdauer des gesamten Gebäudes ab (§ 5 Abs. 1, Satz 3 EnEG), in das die Erfassungsgeräte etc. eingebaut werden sollen. Die Einsatzdauer der anzubringenden Erfassungsgeräte ist daher nicht als Maßstab heranzuziehen (a.A. BayObLG, GE 1989, 781). Für Gebäude kann zur Ermittlung der Nutzungsdauer auf die steuerlichen Abschreibungszeiträume zurückgegriffen werden. Nach § 7 Abs. IV EStG wird sie bei Gebäuden, die vor dem 1. 1. 1925 fertiggestellt worden sind, mit 40 Jahren angenommen, für alle anderen später fertiggestellten Gebäude mit 50 Jahren. Angesichts des Zeitablaufs kommen für die Bewertung der Kosten-Nutzen-Relation nur noch die 50 Jahre in Betracht. Da sich ferner die Frage der unverhältnismäßigen Kosten nur bei nachträglichem Einbau der Erfassungsgeräte in ein bereits fertiggestelltes Gebäude stellen wird, ist gemäß § 5 Abs. 1, Satz 3 EnEG auf die noch zu erwartende Nutzungsdauaer für das Gebäude abzustellen; für das Alter des Gebäudes ist nach § 6 EnEG der Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung maßgebend.

Die für die Zukunft zu erwartenden Beträge aus der Energieeinsparung sind auf der Basis der im Zeitpunkt der geplanten Baumaßnahme geltenden Brennstoffpreise zu ermitteln. Zwar unterliegen diese Preise konjunkturellen Schwankungen; das gilt aber auch für die Installationskosten. Der Vergleich ist auf den Zeitpunkt der Vornahme der Arbeiten zu beziehen, da zu diesem über die Verhältnismäßigkeit der Kosten entschieden werden muß. Die 15%ige Energiekosteneinsparung berechnet nach den Kosten, die in dem dem Vergleichszeitpunkt vorangegangenen Abrechnungszeitraum entstanden sind, ist also auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes zu berechnen.

Diese Ersparnis ist dem Aufwand für die Installation der Erfassungsgeräte gegenüberzustellen. Überschreitet der Aufwand die mögliche Ersparnis, ist der Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 1a in der Form der unverhältnismäßig hohen Kosten gegeben. Bleibt der Aufwand unter der Ersparnis, ist die Heizkostenverordnung vollständig anzuwenden. Hierbei sind die absoluten Vergleichszahlen gegenüberzustellen. Es ist unzulässig, auf eine der Zahlen Zu- oder Abschläge zu machen, um etwa einen weiteren Rahmen für die Unverhältnismäßigkeit zu bilden. Dies führt nur wieder zu neuen Problemen der Grenzziehung und beeinträchtigt insgesamt die Rechtssicherheit, die mit der Gegenüberstellung der jeweils absoluten Zahlen gewahrt ist (so zutr.: Beispiel: Lammel, HeizkostenVO, Rdnrn. 19-24).

Diese Grundsätze stehen auch nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH, wonach sich die Unverhältnismäßigkeit des Kostenaufwandes i.S. von § 11 Abs. 1, Nr. 1 lit. a HeizkostenVO aufgrund eines Vergleiches der Kosten für die Installation der Meßgeräte sowie des Meß- und Abrechnungsaufwandes mit der möglichen Einsparung von Energiekosten feststellen läßt (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 647 - WM 1991, 282), denn auch die vorstehenden Grundsätze stellen auf diesen Vergleich ab.

Nach dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 10. 7. 1990 belaufen sich die Kosten für die Einrichtung einer Warmwasserzählung, die eine verbrauchsbezogene Abrechnung der Warmwasserkosten für die einzelnen Wohnungen zuläßt, auf mindestens 17.500 DM. Dem stehen nach dem letzten im Verfahren angegebenen und unstreitigen Stand Gesamtheizkosten von jährlich circa 16.000 DM gegenüber. Bei verbundenen Anlagen für Heizung und Warmwasserversorgung ist, falls die Menge des verbrauchten Warmwassers nicht gemessen werden kann, als Brennstoffverbrauch der zentralen Warmwasserversorgungsanlage ein Anteil von 18 % der insgesamt verbrauchten Brennstoffe zugrundezulegen, § 9 Abs. 2 HeizkostenVO, vorliegend also ein Betrag von jährlich circa 2800 DM. Geht man mit § 12 Abs. 1 HeizkostenVO davon aus, daß durch die verbrauchsabhängige Kostenverteilung eine Einsparung in Höhe von 15 % erzielt werden kann und hieran ändert sich auch für den vorliegenden Fall dadurch nichts, daß das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 HeizkostenVO für Wohnungseigentümer nicht gilt -, so ergibt sich eine jährlich zu erwartende Energieeinsparung im Betrag von circa 432 DM. Geht man davon aus, daß vorliegend der Bauschein am 25. 11. 1975 erteilt worden und die Anlage durch die Bauaufsicht am 9. 8. 1976 abgenommen ist, so endet die 50jährige Nutzungsdauaer spätestens im August 2026, so daß sich eine Restnutzungsdauer von noch circa 35 Jahren und auf diesen Zeitraum bezogen eine Energieeinsparung für Warmwasser von circa 15.120 DM ergibt. Damit ist selbst bei der billigsten Variante ein Einbau von Warmwasserzählern vorliegend unwirtschaftlich.