ladisch.de > Deutsches Recht > Langzeitstudiengebühr in Niedersachsen
Stand: 2004
Das Niedersächsischen Hochschulgesetz regelt die Langzeitstudiengebühr von 500 Euro pro Semester, die ab dem fünften Semester über der Regelstudienzeit fällig wird.
Im Gesetz sind BAföG-Empfänger ausgenommen, Eltern, gewählte Vertreter in Hochschulgremien und Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte erhalten ein zusätzliche Freisemester vorgesehen. Daneben kann die Gebühr bei einer »unbilligen Härte« ganz oder teilweise erlassen werden. Im Gesetz sind dazu folgende Fälle als Beispiele genannt: Behinderung, Krankheit und Opfer einer Straftat, wenn sich dadurch die Studienzeit verlängert, sowie bei einer wirtschaftlichen Notlage beim letzten Abschnitt der Abschlussprüfung.
Auf eine »unbillige Härte« sollte man sich jedoch auch aus anderen Gründen berufen, z. B.:
Dabei sind stets auch die Einnahmen nachzuweisen, die unter dem BAföG-Höchstsatz (2004: 585 €) liegen sollten.
Außerdem ist die derzeitige Regelung der niedersächsischen Studiengebühr aus mehreren Gründen verfassungswidrig, sodass sie eigentlich von niemandem verlangt werden darf. Die Gründe sind:
Seit Oktober 2002 ist beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde der Sozietät Brehm/Breinersdorfer/Zimmerling gegen die Studiengebühr in Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 1 BVerG 1771/01 anhängig. Da die Regelung in Niedersachsen inhaltlich weitestgehend mit der in Baden-Württemberg übereinstimmt, wird bei Erfolg jener Verfassungsbeschwerde auch in Niedersachen zurückgezahlt und nachgebessert werden müssen.
Im Urteil vom 26. Januar 2005 (Aktenzeichen 2 BvF 1/03) hat das Bundesverfassungsgericht zwar das Studiengebührenverbot des Bundestages aufgehoben. Gleichzeitig schreibt es darin aber, dass die Bundesländer die Aufgabe trifft, »den Belangen einkommensschwacher Bevölkerungskreise angemessen Rechnung [zu] tragen« (Absatz 72). »Die Länder sind bundesrechtlich verpflichtet, den Hochschulunterricht auf geeignete Weise jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Befähigungen zugänglich zu machen« (Absatz 81). In diesem Gerichtsverfahren hat das Deutsche Studentenwerk darauf hingewiesen, dass mit Studiengebühren der Länder eine »Rechtszersplitterung für das Unterhaltsrecht und das Recht der Ausbildungsförderung« droht (Absatz 56). Aus all diesen Gründen haben rechtliche Schritte gegen Studiengebühren, insbesondere Verfassungsklagen, weiterhin Aussicht auf Erfolg.
Wer einen Gebührenbescheid erhält, muss innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen, wenn der Bescheid nicht bestandkräftig werden soll. Ohne Widerspruch hat man selbst dann keinen Rückzahlungsanspruch, wenn später ein Gericht die Gebühr für unrechtmäßig erklärt. Beispiel für die FH Hildesheim:
Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen Hohnsen 4 31134 Hildesheim Hildesheim, den ... Gebührenbescheid über die Zahlung der Studiengebühr vom ... Sehr geehrte Damen und Herren, gegen den vorbezeichneten Bescheid wird hiermit Widerspruch eingelegt. Die Einlegung des Widerspruchs erfolgt zunächst zur Fristwahrung. Die Frage der Rechtswirksamkeit der Rechtsgrundlagen für die Erhebung der Studiengebühr wird derzeit gerichtlich geklärt, u. a. beim Verwaltungsgericht Hannover unter dem Aktenzeichen 6 A 376/03 und beim Bundesverfassungsgericht unter den Aktenzeichen 1 BVerG 1771/01. Mit freundlichen Grüßen
Mit diesem Widerspruch werden die laufenden Gerichtsverfahren abgewartet. Sollten diese Verfahren ergeben, dass man die Studiengebühr zahlen muss, kann man den Widerspruch kostenfrei zurücknehmen, ansonsten muss man eine zusätzliche Gebühr für die Zurückweisung des Widerspruchs berappen. Wenn die Studiengebühr hingegen gekippt wird, erhält man sein Geld zurück.
Wichtig: Trotz Widerspruch muss die Studiengebühr erst einmal gezahlt werden (unter Vorbehalt)! Ansonsten gibt es keine Studienbescheinigung.
Auch bei Zahlung unter Vorbehalt ist der Widerspruch in jedem Fall nötig.
Möglicherweise lässt sich das Amt auch sofort durch gute Argumente
überzeugen. Wenn man das probieren will, kann man statt der
Fristwahrung schreiben (dies ist zugeschnitten für die Bescheide der
FH Hildesheim, die ohne Erläuterung nur Studienguthaben und Gebühr
mitteilen):
gegen den vorbezeichneten Bescheid wird hiermit Widerspruch
eingelegt und ein Härtefallantrag gestellt.
Der Bescheid ist unklar, da Sie mir weder die Höhe meines
Studienguthabens noch die Höhe der Studiengebühr vorrechnen, außerdem
schreiben Sie nicht, wie Sie die §§ 11-14 des NHG und das Grundgesetz
(Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1)
in meinem konkreten Fall anwenden. Bitte geben Sie den
Paragraphen/Artikel, den Absatz und den Satz an, und schreiben Sie
auch jeweils eine Begründung dazu.
Ich komme nämlich zu dem Ergebnis, dass die Studiengebühr
verfassungswidrig ist, und selbst wenn nicht, dann höchstens in Höhe
von 455 Euro erhoben werden darf, siehe Anlage.
Bitte erlassen Sie mir deshalb die Gebühr, oder schreiben Sie mir
zumindest einen nachvollziehbaren Bescheid.
Hilfsweise bitte ich zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens darum,
- das Widerspruchsverfahren bis zur Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über Studiengebühren (Aktenzeichen 1 BVerG
1771/01 und andere) ruhen zu lassen,
hilfsweise
- den Gebührenbescheid nur vorläufig hinsichtlich der Anwendung der §§ 11
bis 14 NHG zu erlassen (analog § 165 Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung),
hilfsweise
- mir zuzusagen, die Studiengebühr (§§ 11 bis 14 NHG) auf Antrag insoweit
zu erstatten, wie sie vom Bundes- oder Landesverfassungsgericht oder vom
Bundes- oder Oberverwaltungsgericht für verfassungswidrig erklärt wird.
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Als Anlage kann man von den folgenden Abschnitten die ersten sechs wegen der Verfassungswidrigkeit sowie ggf. den über den Studiengangwechsel mit Anpassungen für die eigene Situation verwenden.
Studierende an der Niedersächsischen Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege brauchen keine Studiengebühr zu bezahlen, auch wenn sie ihr Studienguthaben verbraucht haben (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 NHG). In der Gesetzesbegründung zur Studiengebühr heißt es dazu: »Die Ausnahme für Studierende an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege ist wegen der für diese geltenden Besonderheiten, insbesondere wegen des beamtenrechtlichen Status der Betreffenden und deren Einbindung in Laufbahnvorschriften, gerechtfertigt.«
Damit ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemeint, nach denen die Ausbildung der Beamten unentgeltlich sein muss (BVerwGE 52, 183 [188 f.]; 91, 200 [204]; Urteil vom 25. September 2003, 2 C 20.02, DVBl 2004, 320, NVwZ 2004, 347). Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht die völlige Gebührenfreiheit zur Folge haben, wie sie derzeit im NHG geregelt ist.
Es verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz von Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes, dass für mich, nicht jedoch für die Studierenden an der genannten Fachhochschule eine Studiengebühr erhoben wird. Denn 1. gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, warum an dieser Fachhochschule zwar das Studienguthaben verbraucht, nicht aber die Studiengebühr kassiert wird, und 2. wird die Gebühr nicht für die Ausbildung, sondern für den späten Studiengangwechsel erhoben.
Das Studienguthaben ist »kein Verzicht auf eine Studiengebühr, sondern ein staatlich gewährtes Guthaben, welches ein geldwertes öffentlich-rechtliches Erfüllungssurrogat für die ansonsten zu entrichtende Gebühr darstellt« (BVerfG, 2 BvL 9/98 vom 19.3.2003, Abs. 84). Trotzdem muss es für das Studium an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege eingesetzt werden, was gegen die genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verstößt. Die derzeitige Regelung führt dazu, dass z. B. jemand, der erst spät von Rechtspflege in einen ganz anderen Studiengang wechselt, Studiengebühren zahlen muss, während jemand, der erst spät aus dem anderen Studiengang zur Rechtspflege wechselt, dies nicht muss. Insoweit wäre es nur verfassungsgemäß, wenn Zeiten an der genannten Fachhochschule überhaupt nicht auf das Studienguthaben angerechnet würden; so auch die Klägerin der Entscheidung 6 A 4101/03 des Verwaltungsgerichts Hannover, das Gericht ließ die Frage unbeantwortet.
Eine Studiengebühr für diesen Personenkreis ist nur denkbar, wenn vorher an einer anderen Hochschule etwas anderes studiert wurde. Damit handelt es sich um eine Langzeitstudiengebühr, die nicht für die Verwaltungs- oder Rechtspflegeausbildung erhoben wird, sondern für die mehrfache Nutzung von Hochschulen, oder, anders ausgedrückt, für die späte Entscheidung für den Studiengangwechsel. Die bestätigt auch die Formulierung »jedes Semester«/»jedes Trimester« (§ 13 Abs. 1 Satz 1 NHG), mit der die Studiengebühr nicht wie im baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetz von 1997 »für das Studium« (BVerwGE 115, 32 [38]) erhoben wird. Damit ist also die Ausbildung selbst gebührenfrei, wie es die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorschreibt, sodass die Ausnahme nicht gerechtfertigt ist.
Aus diesen beiden Gründen ist die Studiengebührenregelung nichtig und darf nicht angewandt werden.
Wer BAföG-Leistungen erhält, braucht keine Studiengebühren zu zahlen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 NHG).
Hingegen muss laut NHG Studiengebühren zahlen, wer zwar Anspruch auf BAföG-Leistungen hat, sie aber nicht in Anspruch nimmt, etwa weil er sich nicht verschulden will, oder weil er seine Eltern nicht durch das BAföG-Amt verklagen lassen möchte - dies ist freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG).
Ebenso muss laut NHG Studiengebühren zahlen, wer zwar einen BAföG-Anspruch dem Grunde nach hat, aber nur deswegen nichts ausbezahlt bekommt, weil das Einkommen oder Vermögen zu hoch ist.
Der Landesgesetzgeber hätte in § 13 Abs. 1 Nr. 4 NHG aber auch diese beiden Gruppen von der Studiengebühr ausnehmen müssen, also alle, denen BAföG-Leistungen nur dem Grunde nach zusteht, wie es z. B. in § 41 Abs. 3 des Wohngeldgesetzes gemacht wurde.
Der Bundesgesetzgeber hat mit dem BAföG bereits geregelt, wie lange ein Studium gefördert wird, insbesondere nach einem Studiengangwechsel, deshalb kann der Landesgesetzgeber keine davon abweichende nachteilige Regelung mit Studiengebühren treffen (Artikel 31 Grundgesetz). Dies gilt insbesondere für die Studienabschlussförderung (§ 15 Abs. 3 a BAföG).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst einen Anspruch auf unentgeltliche Ausbildung im Vorbereitungsdienst haben (BVerwGE 52, 183 [188 f.]; 91, 200 [204]; Urteil vom 25. September 2003, 2 C 20.02, DVBl 2004, 320, NVwZ 2004, 347), da die Besoldung nach dem höherrangigen Bundesbesoldungsgesetz nicht durch Verwaltungs-, Prüfungs- oder Studiengebühren der Länder geschmältert werden darf (Artikel 31 Grundgesetz). Dies gilt entsprechend auch für die Studienfinanzierung durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz, die nicht durch landesrechtliche Studiengebühren gekürzt werden kann; nur dort, wo dem Grunde nach kein BAföG-Anspruch mehr besteht, kann Landesrecht greifen.
Insoweit widersprechen die Bestimmungen des NHG über die Langzeitstudiengebühr dem Bundesrecht und wären deshalb nichtig, wenn es nicht eine BAföG-konforme Auslegung gäbe, nämlich der Anerkennung des BAföG-Anspruchs dem Grunde nach als unbillige Härte (§ 14 Abs. 2 Satz 1 NHG).
[Diesen einen Absatz ggf. weglassen:] Ich habe eine Bescheinigung des BAföG-Amtes beigefügt, aus der Sie ersehen können, dass mir dem Grunde nach BAföG-Leistungen zustehen. Deshalb beantrage ich den Erlass der Studiengebühr gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 NHG.
Die BAföG-konforme Auslegung ist jedoch nicht möglich bei Einkommensmillionären, da bei ihnen in der Regel keine unbillige Härte vorliegt. Damit widerspricht aber die Studiengebühr des NHG dem Bundesrecht und ist gemäß Artikel 31 Grundgesetz insgesamt nichtig und darf von niemandem erhoben werden.
Die rückwirkende Bezahlung von Studienzeiten mit dem Studienguthaben für die Zeit vor Inkrafttreten der Studiengebühr ist verfassungswidrig.
Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung) ist regelmäßig unzulässig, da sie dem Rechtsstaatprinzip aus Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) widerspricht (ständige Rechtsprechung, siehe BVerfGE 97, 67 [78 ff.] mit weiteren Nachweisen). Das ist hier der Fall.
Am 18. Dezember 2001 wurde mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2002/2003 auch der § 81 a NHG vom Niedersächsischen Landtag beschlossen, es trat am 1. Januar 2002 in Kraft (Artikel 17). Das dadurch gewährte Guthaben ist »kein Verzicht auf eine Studiengebühr, sondern ein staatlich gewährtes Guthaben, welches ein geldwertes öffentlich-rechtliches Erfüllungssurrogat für die ansonsten zu entrichtende Gebühr darstellt« (BVerfG, 2 BvL 9/98 vom 19.3.2003, Abs. 84). Trotzdem soll es rückwirkend für Semester verwendet werden, für die die Einschreibung oder Rückmeldung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot darf allein aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls oder wegen eines nicht - oder nicht mehr - vorhandenen schutzbedürftigen Vertrauens des Einzelnen durchbrochen werden; die dafür notwendigen Gründe (vgl. BVerfGE 72, 200 [258]) liegen hier aber nicht vor:
1. Der Bagatellvorbehalt kommt nicht in Betracht, da es sich bei der Studiengebühr von umgerechnet 83,33 Euro monatlich um einen erheblichen Betrag handelt. Der Normalstudent erfügte im arithmetischen Mittel im Jahr 2003 pro Monat über 767 Euro, der Zentralwert dafür liegt sogar nur bei 720 Euro. Davon müssen jedoch 250 Euro (arithemtisches Mittel) bzw. 240 Euro (Zentralewert) für die Unterkunft abgezogen werden. Diese Zahlen stammen aus der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 2004, S. 152 ff.); der Normalstudent ist - wie 65% aller Studierenden - ledig, im Erststudium, und wohnt nicht bei seinen Eltern. Aus diesen Werten ergibt sich, dass viele Studenten am Rande des Existenzminimums leben, die monatlichen 83,33 Euro Studiengebühr also einschneidende Wirkung haben.
2. Es lag auch keine unklare oder verworrene Rechtslage vor, da die Studiengebühr mit dem Haushaltsbegleitgesetz erst neu eingeführt wurde.
3. Aus dem gleichen Grund wurde keine verfassungswidrige Lücke im Studiengebührensystem geschlossen.
4. Aus der Gesetzesbegründung ergeben sich auch keine zwingenden Gründe des gemeinen Wohls, insbesondere keine Haushaltsgründe, denn es heißt dort (Begründung, Vorentwurf vom 06.09.01):
»Anlass und Ziel der Änderung des Gesetzes
Mit der Änderung des
Gesetzes wird normativ verbindlich klargestellt, dass ein Studium bis
zur Erlangung eines berufsqualifizierenden Abschlusses gebührenfrei
bleibt. [...]
Das Gesetz zielt nicht darauf ab, zusätzliche
Einnahmequellen zu Lasten der Studierenden zu erschließen, sondern das
Hochschulstudium in Niedersachsen effektiver zu gestalten.«
Selbst wenn man nur von einer tatbestandlichen Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) ausgeht, gilt: »Die Zulässigkeit einer solchen tatbestandlichen Rückanknüpfung ist vorrangig an den Grundrechten zu messen, die mit der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals vor Verkündung der Norm ›ins Werk gesetzt‹ worden sind.« (BVerfGE 92, 277 [344]; vgl. 31, 275 [292 ff.], 72, 200 [242]).
Bis zur Verabschiedung der Studiengebührenregelung haben die Studenten ihr Studium ohne Studiengebühren geplant, und konnten wegen des Rückwirkungsverbots auch davon ausgehen, für das damalige Semester weder Gebühren noch Studienguthaben einsetzen zu müssen. Das betrifft insbesondere die Entscheidung über einen Studiengangwechsel. Wird die Planung durch die Studiengebühr durchkreuzt, werden die Grundrechte auf freie Berufswahl (Artikel 12 Abs. 1 GG) und das Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG) beeinträchtigt.
Gleiches gilt für Fälle, in denen eingeschriebene Studenten keine oder nur wenige Lehrveranstaltungen besucht oder nur teilzeit studiert haben, etwa wegen Erwerbstätigkeit, Praktikum, Krankheit, Pflege von Angehörigen oder persönlichen Gründen. In diesen Fällen wäre es wegen der rückwirkenden Studiengebühr sinnvoller gewesen, die Lehrveranstaltungen in wenige Semester zu konzentrieren, um sich zeitweilig zu exmatrikulieren oder zu beurlauben. Diese Studenten konnten jedoch darauf vertrauen, dass sie ihre Entscheidung nicht nachträglich mit dem Studienguthaben bezahlen müssen. Dies gilt umso mehr, als es in der Gesetzesbegründung heißt, »dass die Gesellschaft nicht für eine beliebig lange Zeit die Kosten eines Studienplatzes übernehmen kann«, diese Studenten jedoch nicht einen vollen Studienplatz beansprucht, also auch nicht die Kosten wie ein Vollzeitstudent verursacht haben.
Zur weitestgehend gleichen Regelung in Baden-Württemberg schreibt das Bundesverwaltungsgericht: »Davon abgesehen soll die gesetzliche Regelung vor allem zukunftsbezogen auf die Studierenden beim Beginn des Studiums und in frühen Studiensemestern einwirken« (BVerwGE 115, 32 [40]). Eine rückwirkende Einwirkung auf bereits länger Studierende ist jedoch nicht möglich.
Da in der Regel nach erfolgreichem Studienabschluss ein deutlich höheres Einkommen zu erzielen ist als während des Studiums, besteht auch ohne die Studiengebühr ein finanzieller Anreiz, es zügig abzuschließen. Deshalb fehlt ein zwingender Grund, von den zur Zeit des Beschlusses der Gesetzesänderung bereits eingeschriebenen Studenten zu verlangen, ihr Guthaben rückwirkend einzusetzen.
Das Studienguthaben kann also erst ab dem Sommersemester 2002 auf Studienzeiten angerechnet werden.
Der Verwaltungskostenbeitrag von 50 Euro, seit 2005 75 Euro pro Semester nach § 12 Satz 1 NHG wird für »das Vorhalten eines Studierendenverwaltungs- und Betreuungssystems, bestehend aus Immatrikulations-, Prüfungs- und Praktikantenämtern einschließlich staatlicher Prüfungsämter, Studienberatung (ohne Studienfachberatung), Akademischer Auslandsämter usw.« erhoben (Gesetzesbegründung in Drucksache 14/350 des Niedersächsischen Landtags).
Das Immatrikulationsamt wird tatsächlich jedes Semester in Anspruch genommen. Die Prüfungs-, Praktikanten- und Akademischen Auslandsämter und die allgemeine Studienberatung hingegen werden nicht dadurch häufiger oder intensiver genutzt, dass man länger eingeschrieben ist, sondern nur, wenn man eine Prüfung nicht besteht, ein weiteren Studiengang studiert oder ein Auslandssemester einlegt.
Zudem hängt der Aufwand der Prüfungs- und Praktikantenämter weitgehend davon ab, wie kompliziert die Professorenmehrheit die Prüfungsordnungen ausgestaltet, und ist deshalb der Lehre zuzuordnen. Nur für das reine Ausstellen einer Prüfungsbescheinigung kann eine Gebühr verlangt werden.
Die folgenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Rückmeldegebühr und zur Studiengebühr in Baden-Württemberg treffen auch auf den Verwaltungskostenbeitrag und die Studiengebühr in Niedersachsen zu (2 BvL 9/98 vom 19.3.2003, Abs. 84):
»[...] Der durch das Studium an den Einrichtungen der Universitäten gewährte Vorteil kann daher nicht schon während des Zeitraums der Erfüllung der Gebührenpflicht durch Einsatz des Bildungsguthabens zur Rechtfertigung der Gebührenhöhe der Rückmeldegebühr nach § 120 a Abs. 1 Satz 1 UG BW herangezogen werden. Anderenfalls würde nämlich die Rückmeldegebühr gerade das durch § 1 Abs. 1 Satz 1 LHGebG staatlich gewährte geldwerte Guthaben teilweise wieder abschöpfen. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber eine so widersprüchliche Gesamtregelung treffen wollte.«
Im selben Urteil berechnet das Bundesverfassungsgericht 8,33 DM Verwaltungskosten für das Jahr 1993 pro Rückmeldung in Baden-Württemberg. Ich gehe von vergleichbar hohen Kosten von 5 Euro an meiner Hochschule heute aus. Die restlichen 45 Euro, ab 2005 70 Euro stellen damit Studiengebühren dar und sind auf die 500 Euro anzurechnen. Damit muss ich allenfalls noch 455 Euro, ab 2005 430 Euro (weitere) Studiengebühren zahlen.
Für Teilzeitstudiengänge sind anteilige Studiengebühren im NHG geregelt (§ 11 Abs. 4 Satz 2), für ein Teilzeitstudium eines Vollzeitstudienganges gibt es nur bei Kindererziehung oder Tätigkeit in Gremien oder Ämtern der Hochschule ausdrückliche Regelungen im NHG (§ 11 Abs. 3).
In den Gesetzgebungsmaterialien gibt es keinen Hinweis, dass ein Teilzeitstudium in den sonstigen Fällen dadurch benachteiligt werden soll, dass trotzdem der volle Beitrag je Semester gezahlt werden muss. Eine solche Benachteiligung würde in die Freiheit der Studenten (Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz) und in die Freiheit der Lehre (Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz) eingreifen, denn viele Studien- und Prüfungsordnungen lassen ein Teilzeitstudium zu, was schon der Anteil von 24% zeigt, den die Teilzeitstudenten an den Studenten im Erststudium haben (17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 2003, S. 250).
Zeitabhängige Leistungen der Hochschule hingegen werden bereits abschließend durch den Verwaltungskostenbeitrag nach § 12 NHG berücksichtigt. Dies ergibt sich auch im Hinblick auf § 13 Abs. 7 NHG.
Teilzeitstudenten nehmen für einen gesamten Studiengang die Hochschule in gleichem Maße in Anspruch wie Vollzeitstudenten, nur zeitlich gestreckt. Grund für die Studiengebühr ist laut Gesetzesbegründung, »dass die Gesellschaft nicht für eine beliebig lange Zeit die Kosten eines Studienplatzes übernehmen kann«. Teilzeitstudenten sollen also gerade nicht getroffen werden.
Bis zum Abschluss ihres Studium verursacht ein Teilzeitstudent der Hochschule gleich viel Kosten wie ein Vollzeitstudent. Deshalb verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz, dass Teilzeitstudenten nur in Teilzeitstudiengängen eine Teilgebühr zahlen müssen; eine typisierende Betrachtung ist wegen des Anteils von 24% Teilzeitstudenten (siehe oben), die ganz überwiegend Vollzeitstudiengänge besuchen, nicht möglich.
Nachdem wie beschrieben die Verfassungsgrundsätze Freiheit, insbesondere in der Lehre, sowie Gleichheit beachtet werden müssen, kann das NHG verfassungskonform nur so ausgelegt werden, dass die unbillige Härte nach § 14 Abs. 2 auch das Teilzeitstudium umfasst.
[Dies falls zutreffend verwenden:] Ich bin Teilzeitstudent. Nach der Prüfungsordnung Diplom-... sind für das Grund- und Hauptstudium zusammen 120 Semesterwochenstunden (SWS) in der Regelstudienzeit von acht Semestern vorgesehen. Das sind durchschnittlich 15 SWS pro Semester bei einem Vollzeitstudium. Das Studienguthaben beträgt zwölf Semester oder umgerechnet 180 SWS.
Dieses SWS-Studienguthaben habe ich noch nicht ausgeschöpft, da ich erst Veranstaltungen mit insgesamt 165 SWS besucht habe, siehe die beigefügten Anlagen mit der Aufstellung meiner belegten Veranstaltungen. Die Studiengebühr wäre für mich deshalb eine unbillige Härte. Sie ist mir deshalb zu erlassen.
[Alternative, falls seit Studienbeginn bereits zuviele Veranstaltungen besucht worden sind:] Dieses SWS-Studienguthaben habe ich noch nicht ausgeschöpft, da ich seit dem Sommersemester 2002 (siehe Abschnitt Rückwirkung) erst Veranstaltungen mit insgesamt 160 SWS besucht habe, siehe die beigefügten Anlagen mit der Aufstellung meiner belegten Veranstaltungen. Die Studiengebühr wäre für mich deshalb eine unbillige Härte. Sie ist mir deshalb zu erlassen.
Im Gesetz fehlen wesentliche Ausnahmeregelungen, nämlich über den BAföG-Anspruch dem Grunde nach, das Teilzeitstudium, und eine Übergangsregelung wegen der Rückwirkung. Dadurch ist die Studiengebühr verfassungswidrig.
Entscheidungen, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind, muss der Gesetzgeber selbst in das Gesetz schreiben (Gesetzesvorbehalt), und darf sie nicht dem Ministerium oder der Verwaltung überlassen (BVerfGE 98, 218 [251] m.w.N., 47, 46 [79] m.w.N.). Dies ergibt sich aus Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes und Artikel 41 und 43 Absatz 1 der Niedersächsischen Verfassung.
In den Abschnitten "BAföG-Anspruch dem Grunde nach", "Rückwirkung" und "Teilzeitstudium" wurde bereits ausführlich erläutert, dass im Gesetz wesentliche Ausnahmeregelungen fehlen, obwohl die Studiengebühr die Studenten in ihren Grundrechten wesentlich beeinträchtigt. Dies betrifft eine wesentliche Anzahl von Studenten, und war für den Gesetzgeber offensichtlich. Entsprechende Ausnahmen sind möglich und praktikabel, und deshalb dem Gesetzgeber zuzumuten. Trotzdem gibt es nur eine pauschale Härtefallregelung, was der Verwaltung weiten Raum für eine Auslegung lässt.
Dieser Mangel führt dazu, dass die Studiengebührenregelung verfassungswidrig ist, und von niemandem erhoben werden darf.
Ich habe zum Winter/Sommersemester [Jahr] vom Studiengang ... in den Studiengang ... gewechselt. Dies war vor dem Beschluss des Landtags zur Einführung der Studiengebühr vom 18. Dezember 2001. Deshalb konnte ich nur von der damaligen rechtlichen Lage ausgehen, nach der die Anzahl der Semester bis zum Studiengangwechsel keinerlei nachteilige Auswirkungen auf die Studiengebühren hat. Hätte ich damals bereits gewusst, dass ich mein Studienguthaben rückwirkend auch für die Semester vor dem Wechsel einsetzen und deshalb den neuen Studiengang nur mit Studiengebühren beenden kann, hätte ich mich wahrscheinlich anders entschieden.
Etwa jeder fünfte Student in Deutschland wechselt den Studiengang (17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 2003, S. 72-76). Wenn bis zum vierten Semester gewechselt wird, erhalten sogar Geförderte nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) weiter Geld, da in der Regel ein wichtiger Grund vorliegt (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG). Da es beim BAföG meist um weit höhere Beträge pro Semester als bei der Studiengebühr geht, ist bei einer Härtefallprüfung bei der Studiengebühr ein noch späterer Wechselzeitpunkt als bis zum vierten Semester zu berücksichtigen. Dabei ist auch die im Ergebnis mangelhafte Studienberatung zu berücksichtigen, die dazu führt, dass laut der genannten Sozialerhebung etwa ein Drittel der Studiengangwechsler dies nach mehr als drei Semestern tun.
Auch bei mir lag für den Wechsel ein wichtiger Grund vor: [hier passendes angeben und begründen, z. B. mangelnde intellektuelle, psychische oder körperliche Eignung für die Berufsausbildung oder -ausübung, bei weltanschaulich gebundenen Berufen der Wandel der Weltanschauung oder Konfession, ein Neigungswandel so schwerwiegender und grundsätzlicher Art, dass die Fortsetzung der Ausbildung dem Auszubildenden nicht mehr zugemutet werden kann, erstmalige Zulassung in einem zulassungsbeschränken Studiengang. Bei spätem Wechsel ggf. auf die mangelhafte Studienberatung hinweisen (z.B. Dozenten machten Mut weiterzustudieren).]
[Hier die finanzielle Situation darlegen. Pro Monat sollte höchstens der BAföG-Höchstsatz zur Verfügung stehen (§§ 13 und 13a BAföG), 2004: 585 €.]
Aus diesen Gründen liegt bei mir ein Härtefall vor. Bitte behandeln Sie mich so, als würde ich für die Semester vor dem Studienfachwechsel kein Studienguthaben einsetzen müssen, indem Sie mir die Studiengebühr erlassen.
[Ein Widerspruch, der auf der nachfolgenden Argumentation basierte, hatte Erfolg, siehe Rückzahlungsbescheid. Sie steht hier nur noch für Altfälle und zur Dokumentation.]
Für den Studiengang Sozialwesen an der FH Hildesheim setzen Sie die Regelstudienzeit anscheinend nur auf sechs Semester fest.
Die Prüfungsordnung des Studiengangs Sozialwesen spricht (in § 3 Abs. 1) ausdrücklich von einer Regelstudienzeit von acht Semestern, also einschließlich der letzten zwei Semester, die der staatlichen Anerkennung dienen, und in der neben Veranstaltungen an der FH mit 8 Semesterwochenstunden das Berufspraktikum mit 12 Monaten Vollzeitätigkeit stattfindet (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 Satz 4).
Das entspricht auch der Regelung der (vorgehenden) allgemeinen Prüfungsordnung für alle Studiengänge der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen, die in § 5 Abs. 1 Strich 1 eine Regelstudienzeit von acht Semestern für grundständige Diplomstudiengänge vorschreibt.
Dies steht auch im Einklang mit dem Hochschulrahmengesetz (§ 10 Abs. 1 Satz 2): »Die Regelstudienzeit schließt Zeiten einer in den Studiengang eingeordneten berufspraktischen Tätigkeit, praktische Studiensemester und Prüfungszeiten ein.«
Das Niedersächsische Hochschulgesetz besagt zwar (§ 11 Abs. 2 Halbsatz 2): Vom Studienguthaben »ausgenommen sind Studiengänge, die der Vertiefung und Ergänzung von Erfahrungen der beruflichen Praxis dienen.« Dies trifft hier aber nicht zu, da diese zwei Semester der Vertiefung und Ergänzung von an der Hochschule erlernten Fähigkeiten und nicht der Vertiefung und Ergänzung von Erfahrungen der beruflichen Praxis dienen.
Selbst wenn man annehmen würde, dass die letzten zwei Semester ein eigener Studiengang wären, besteht für sie ein zusätzliches Studienguthaben. Denn das Land Niedersachsen stellt Sozialwesen-Absolventen nur ein, wenn sie die staatliche Anerkennung haben, deshalb sind die dafür nötigen zwei Semester rechtlich erforderlich, sodass für sie auch ein Studienguthaben besteht (§ 11 Abs. 2 Satz 2 NHG).
Während der nicht oder nur gering bezahlten Praktikumszeit besteht üblicherweise keine Zeit mehr, sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist aber kein Argument, das Studienguthaben für diese letzten zwei Semester erst während der Praktikumszeit gutzuschreiben, es also solange zurückzuhalten. Das widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (§§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 NHG), das weder nach Grund- und Hauptstudium noch nach Praktikumszeiten differenziert, sondern sofort die gesamte Regelstudienzeit eines Studiengangs gewährt. Vielmehr hat der Gesetzgeber ausdrücklich eine andere Möglichkeit vorgesehen, mit der eine wirtschaftliche Notlage während der Praktikumszeit abgewendet werden kann: Der ganz oder teilweise Erlass der Gebühr (§ 14 Abs. 2 NHG).
Deshalb kann ich nicht nachvollziehen, warum Sie für den Studiengang Sozialwesen nur von sechs Semestern Regelstudienzeit ausgehen. Der Bescheid ist unklar, sodass ich mich nicht dagegen verteidigen kann; deshalb ist er nichtig.
Alle Angaben ohne Gewähr und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Keine Aktualisierung mehr seit 2004. Eine rechtliche Prüfung im Einzelfall kann nur ein Rechtsanwalt machen, auch der Fachschaftsrat oder der Asta können möglicherweise weiterhelfen.